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Schlussstrich im Beschuldigungsfall eines Pfarrers

Pfarrer Virginijus Kelertas

26.10.2011

Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind. (Mt. 5, 10-12)
Anfang diesen Jahres ist in den Bezirks- und Republikmedien eine Geschichte weit verbreitet worden, in der der Evangelisch-Lutherische Pfarrer und Kinderheimdirektor Virginijus Kelertas aus Šakiai wegen Willkürlichkeit beschuldigt wurde, und unter der nun endlich ein Schlussstrich gezogen worden ist. Obwohl das Gericht des Vilkaviškis Bezirkes die Entscheidung traf, die Untersuchung zu beenden, ist diese Entscheidung erst nach drei Beschwerden von der Kinderrechtsbeauftragten Edita Žiobienė rechtskräftig geworden. Sie alle wurden abgelehnt, weil von dem Untersuchungsausschuss keine Kennzeichen eines Verbrechens oder Strafvergehens festgestellt werden konnten.

Besuch bei Schwester wird vor Gericht geprüft
Am 18. Dezember erhielt Rasvita, eine Bewohnerin des Kinderheimes in Šakiai, die hier seit mehreren Jahren lebt, weil ihre Mutter wegen Trunkenheit das Recht auf die Fürsorge ihrer Tochter verloren hatte, eine Nachricht von ihrer jüngeren Schwester, in der die Schwester sie dringend darum gebeten hatte zu ihr zu kommen. Die ältere Schwester machte einen Kontrollanruf um den Grund solcher Einladung zu erfahren, aber als sie am Telefon nur das Ablehnungssignal hörte, bekam sie Panik und bat den Direktor des Kinderheimes sie zu ihrer Schwester zu fahren. V. Kelertas erinnert sich, dass nachdem er den Verdacht des Pflegekindes gehört hatte, einem bei der Mutter wohnendem minderjährigen Mädchen hätte was zugestoßen sein können, da hatte er keinen Moment gezögert und zusammen in ihr Haus gefahren ist.
Hier fanden sie fünf Personen in Trunkenheit, verwüstete und kalte Zimmer (weil der Ofen nicht geheizt war), keine zubereitete Mahlzeit. Die erschrockene Schwester bat Rasvita sie mitzunehmen. Da die Mutterdem nicht widersprochen hatte, fuhren die beiden Schwester zusammen in das Kinderheim, um Weihnachten zu feiern.
Statt Dankbarkeit – Angriff
Obwohl V. Kelertas die damalige Leiterin der Kinderschutz-Abteilung Brone Valaitienė sofort nach dem Vorfall über die trinkenden Eltern und über den Besuch der Minderjährigen im Kinderheim unterrichtet hat, passierte mehrere Tage nichts. Die Ruhe vor dem Sturm. Laut dem Pfarrer haben die Kinderrechtsbeauftragten sich nicht die Mühe gemacht die Situation zu untersuchen, sie haben nicht die trunksüchtigen Eltern überprüft , nicht an die Polizei gewandt und auch keine Maßnahmen ergriffen, obwohl, wie es sich später herausstellte, das Mädchen häusliche Gewalt erfahren musste (der Fall wird jetzt im Gericht des benachbarten Bezirkes Jurbarkas untersucht).
Erschwerend kommt hinzu, anstatt sich zu bedanken, dass das kleine Kind im Kinderheim frohe und sichere Feiertage mit ihrer Schwester verbringen durfte, hat sich die Kinderrechtsbeauftragte an Ordnungshüter gewendet und den Pfarrer wegen Willkürlichkeit und Verletzung der Kinderrechte und –interessen beschuldigt. Nach der fast ein Jahr andauernden Untersuchung durch die Bezirksstaatsanwaltschaft von Vilkaviškis wurden weitere Beschwerden zurückgewiesen und der Fall abgeschlossen.
Handelte, wie das Herz befahl
Vilkaviškis Bezirksstaatsanwaltschaft Kestutis Jasaitis sagte, dass die Situation nicht nur rechtlich, sondern auch von der menschlichen Seite betrachtet werden sollte. In jedem Fall ist es notwendig, zunächst dem kleinen Kind ein sicheres Umfeld zu gewährleisten, daher glaubt der oberste Staatsanwalt nicht, dass hinsichtlich des Mädchens eine Straftat ausgeübt wurde. Ihm zufolge sollten die Kinderrechtsbeauftragten froh sein, dass es möglich war, eine mögliche Katastrophe im Elternhaus zu verhindern. Umso mehr, da sich später auch noch häusliche Gewalt gegenüber dem Mädchen herausstellte.
"Gott sei Dank, dass es Menschen gibt, die in solchen Situationen auf ihr Herz hören und nach den Grundsätzen der Menschlichkeit versuchen zu helfen, und damit vielleicht die Buchstaben auf dem Gesetzpapier umgehen" - so der Oberstaatsanwalt.
K. Jasaitis hat vorgeschlagen sich die Untersuchungsergebnisse des emotionalen Zustandes des „entführten“ Mädchens durch einen Experten anzuhören: warum sie nur eine einzige Freundin hat, in der Klasse gehänselt und herum geschubst wird, sehr introvertiert ist, in einem ungünstigen häuslichen Umfeld lebt, und warum es keine warme Beziehung zu den Eltern besteht.

Vorwürfe, die nicht zu vestehen sind
Laut Herrn Kelertas, wurden ihm gegenüber in einer litauischen nationalen TV-Sendung Vorwürfe erhoben, die nicht mit klaren Verstand zu erfassen sind. "Die Sicht der Journalisten führte zu dem Eindruck, dass ich ein Kindesentführer sei, während ich aber ein einziges Ziel hatte – einem nach Hilfe rufenden Kind zu helfen, welche die Behörde, die die Rechte der Kinder schützen sollen, nicht gewährleistet hatte", - wunderte er sich.
Pfarrer V. Kelertas konnte nicht verstehen, wie in der LTV Sendung die Kinderrechtsbeauftragte als Staatsdienerin, ohne das Untersuchungsergebnis der Staatsanwaltschaft abzuwarten, wo sie sich selbst hinsichtlich der Untersuchungsergebnisse gewandt hatte, die Untersuchung zu beeinflussen versuchte und veräußerte der Wahrheit nicht entsprechende Äußerungen, dabei hatte sie möglicherweise den 31. Absatz der Konstitution der Republik Litauen verletzt, der besagt, das eine Person als unschuldig zu betrachten ist, bis seine Schuldigkeit gemäß gesetzlich vorgesehenen Ordnung bewiesen und gemäß in Kraft getretenem Gerichtsbeschluss anerkannt worden ist.

Nach der Meinung des Kinderheimdirektors, hat E. Žiobienė, mit ihrer Aussage, er habe das Mädchen aus dem Elternhaus geholt (obwohl dies die Schwester getan hatte) in der Fernsehsendung nicht die Wahrheit gesagt. Angeblich hätte er auf Anfrage der Eltern und Kinderrechtsbeauftragten das Mädchen zurückzugeben, sie im Kinderheim behalten und nicht zurückgegeben. „Hatte sich die Kinderrechtsbeauftragte sich an Prinzipien der Rechtmäßigkeit, Unparteilichkeit, Öffentlichkeit, die Priorität der Kinderrechte und seiner rechtlichen Interessen, wie auch die Unabhängigkeit gehalten? – fragte der Direktor des Kinderheimes. Warum haben die Schule, Nachbarschaft, Sozialarbeiter das benachteiligte Mädchen nicht gesehen oder nicht sehen wollen, und warum hat die damalige Leiterin der Abteilung für Schutz der Kinderrechte B. Valaitienė die oberste Spezialistin Aldona Varvarinienė von dem Fall entlassen und sich lieber selber um den Fall gekümmert? Vielleicht haben sie befürchtet, dass die Interessen des Kindes, und nicht der trinkenden Eltern und der ihrer Arbeit nicht nachkommenden Staatsdiener geschützt wird?“

Aufmerksamkeit erregte auch die in der LTV Sendung " Žurnalisto tyrimas" (Die Untersuchung des Journalisten) geäußerten Aussagen von Ruta Sinkevičienė, laut denen der Pfarrer und die Strafverfolgungsbehörden angeblich versuchten den erfolgreich gegen Alkoholsucht kämpfenden Eltern ihre Tochter wegzunehmen. "Wenn das schon so im litauischen Fernsehen gesagt wird, dann sollte man vielleicht jeden Trinker als gegen Alkohol kämpfend bezeichnen, und die Kinder in Trinkerfamilien so lange lassen, bis sie sich selbst aus dem Leben zurückziehen?, - fragte Herr Kelertas. – Warum wurden in der TV Sendung die Autorität der Staatsanwaltschaft, der Polizei und der Kirche unwürdig erniedrigt? Darüber kann nur spekuliert werden. Vielleicht kann diese Frage die Staatssicherheitsbehörde besser beantworten. Hat die Zerstörung des Vertrauens der Öffentlichkeit gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft in unserem Landes nicht allgemeines Interesse, welches verteidigt werden sollte? Wer könnte das tun?

Der Direktor des Kinderheimes sagte, dass ein enormer moralischer Schaden verursacht wurde: nicht nur den die Kinder betreuen Einrichtungen, den Kindern selbst, sondern auch ihm als Person, die ein hohes und verantwortungsvolles Amt im Konsistorium der Litauischen Evangelisch-Lutherischen Kirche inne hält, und den Gläubigen, denen gegenüber versucht wird die Autorität von ihm als Pfarrer zu schmähen.
Erschütterung der letzten Tragödie
Der Pfarrer gab zu, dass es Momente gab, in denen er fühlte, wie unsicher es ist in Litauen zu leben, weil es unklar wurde, welche echten Werte unser Land noch hat. "Die letzte Tragödie, als sich ein neunjähriger Junge sich das Leben nahm, hat uns gezeigt wie die Kinderrechtsbeauftragten arbeiten, die diese Bedrohung nichterkannt haben, - so V. Kelertas. - Aber sie wollen mich dafür bestrafen, dass ich hörte, sah und half. "
Laut dem Direktor des Kinderheimes führen solche Ereignisse dazu, sich darüber Gedanken zu machen, wer und wie in solchen Institutionen zum Schutz der Kinderrechte arbeitet. Hier sollten arbeiten nicht gute Juristen, sondern Menschen mit Herz, die in der Lage sind und bereit sind, Bedrohungen rechtzeitig zu sehen und dem Kind zu helfen.
Kinder selbst suchen Hilfe

Aus welcher Not kommen die Kinder und bitten um Hilfe in dem Kinderheim in Šakiai? Es kann ja hier nicht so schlimm sein, wie es versucht wurde darzustellen, wenn sie selbst darum bitten im Kinderheim aufgenommen zu werden.

Wie bereits geschrieben, im Frühjahr ein kleiner Junge sprang barfuß in seine Gummistiefel und kam über die Felder, um im Kinderheim Hilfe zu suchen, und erst vor kurzem kam ein bald achtjähriges Mädchen und bat selbst um Hilfe. "Warum haben die Spezialisten, die den Familien am nächsten sind, die Probleme der Kinder nicht gesehen? - fragte Herr Kelertas. - Vielleicht ist das Ertrinken der Kinder im Sumpf der Gewalt, Erniedrigungen und trunkener Eltern, auch schon die Angelegenheit der Kinder selbst? "
Die Ereignisse sprechen für sich – aus eigenem Willen kommen die Kinder aus sicherem Umfeld in ein schlechtes Haus mit Sicherheit nicht.

Asta Gvildiene, „Draugas“